Mumbai Parel

Kurioses aus Indien

Indien hält einiges bereit. Die Unterschiede zu Deutschland? Unzählbar! Gemeinsamkeiten aufzuzählen, würde vermutlich schneller gehen. Nach fast zwei Monaten in Mumbai habe ich doch so einiges kennengelernt – deshalb heute mal was zu ein paar Kuriositäten aus dem indischen Alltag und dem größten Fan der deutschen Nationalelf außerhalb Deutschlands.

Hand auf´s Herz, wir sind im Kino

Letzten Sonntag war ich Kino und habe mir Diana angeschaut. Der Film ist Durchschnitt, nicht der Rede wert (obwohl Lady Di von der tollen Naomi Watts gespielt wird). Der Kinobesuch war aber mal wieder erhellend für mich:

Die Sicherheitskontrollen am Eingang, die mit jedem Flughafencheck mithalten, kenne ich ja schon. Dass die Werbung ohrenbetäubend laut und schrill ist – das habe ich nicht anders erwartet. Dass mitten im Film, egal wie lang oder kurz er ist, eine Pause gemacht wird – ist nicht nötig, aber auch keine Sensation. Dass im Kinosaal permanent die Jungs vom Pizzalieferservice rumlaufen und Pizzen während des Films ausliefern – das ist komisch, aber in einer Gesellschaft, in der es für alles Bedienstete gibt, auch nicht verwunderlich. Was mich aber wirklich umgehauen hat (erst zum lachen gebracht und dann beängstigt hat), ist, dass vor dem Film plötzlich in überdimensionaler Größe die indische Flagge vor einem blauen Himmel virtuell vor mir auf der Leinwand im digitalen Wind weht und sich alle aus dem Kinosessel erheben müssen, um der indischen Nationalhymne zu lauschen. Da habe ich wirklich riesige Augen gekriegt.

Meine meine indische Mitbewohnerin Ashwitha hat sich kaputt gelacht, als ich ihr verdutzt zuflüstere „What is going on here??“. Sie hat´s mir erklärt: Im Bundesstaat Maharashtra sind Kinos verpflichtet vor Filmbeginn ihr Publikum dran zu erinnern, dass sie Inder seien und das zu zelebrieren haben! Wer nicht Folge leistet und sitzen bleibt, wird gegebenenfalls vom Kinopersonal zum Aufstehen verdonnert.

So stand ich nun vor meinem zur Liege ausfahrbarem Sessel (sowas brauchen wir in Deutschland auch!) und grübelte darüber, ob das nun zum totlachen sei oder eine totalitäre Maßnahme. Ich hätte gerne ein Foto gemacht, aber die Batterie meiner Kamera musste ich leider beim Sicherheitscheck abgeben.

Bitte einmal einnähen

Wer ein Päckchen aus Indien verschicken will, muss nicht nur zur Post, sondern auch zum Schneider. Päckchen bekommen nämlich ein Kleidchen umgenäht. Wohl um zu verhindern, dass es unterwegs einfach geöffnet wird. Allerdings ist die Post bevollmächtigt Pakete jederzeit zu öffnen.

Ich werde das demnächst selbst ausprobieren, schließlich will ich ein paar meiner Errungenschaften nach Deutschland exportieren. Die muss ich ja nicht noch um die halbe Welt schleppen. Ich hoffe, es klappt. Aber mit der Anleitung auf der Post-Website sollte es funktionieren. Hier findet man auch genaue Anweisungen, was zu tun ist, wenn man mal Körperflüssigkeiten, Organe oder Impfstoffe verschicken will.

Joggen in slow motion

Wenn ein Inder sagt, dass er joggt, meint er nach unserem Verständnis davon einen flotten Spaziergang. Jogger kann man von normalen Spaziergängern nur anhand ihrer Kleidung identifizieren: Sie tragen Sporthosen und Turnschuhe (und ihr Gang ist etwas schneller). Diese Spezies sieht man abends gehäuft an den Küstenstraßen, wie der beliebten Carter Road in Bandra. Hätten sie jetzt noch Stöcke in der Hand, wäre das Nordic Walking. Aber mehr als walken ist joggen hier definitiv nicht. Ziemlich gut für mich: So kann ich hier behaupten, dass ich täglich jogge!

Dharavi vs. Antilia

Gegensätze gibt es hier in vielerlei Hinsicht, aber der offensichtlichste ist der zwischen Arm und Reich: Zum einen liegt mitten in der Stadt Dharavi. Dieser Ortsteil gilt als der größte Slum Asiens (jedoch spricht man hier in der Stadt traurigerweise bereits von vier weiteren, noch größeren). In Dharavi leben geschätzt eine Million Menschen. Zum anderen leben in Mumbai einige der reichsten Menschen der Welt. Da wäre zum Beispiel Mukesh Ambani (viertreichster Mensch der Welt), der für seine sechsköpfige Familie für 2 Milliarden US-Dollar das 27 Stockwerke hohe Haus „Antilia“ gebaut hat. Die ersten sechs Stockwerke sind nur für die Autos, es gibt ein Kino, Yoga-Studio, Schwimmbad, mehrere Gärten, Terrassen, Balkone, einen Hubschrauberlandeplatz für seine drei Helikopter und er beschäftigt sage und schreibe 600 Angestellte in diesem Haus. Und das für sechs Personen! Pfui!

Özil

An das Elfmeterschießen der deutschen Nationalmannschaft gegen Argentinien zur WM 2006 können sich sicherlich einige lebhaft erinnern. Was mich aber wirklich überrascht hat, ist, dass dazu auch Ashwitha (meine indische Mitbewohnerin) zählt. Wie sich herausstellte, ist sie wohl einer der größten Fans der deutschen Fußballer und verfolgt jedes Länderspiel, ja, sie kennt sich sogar in der Bundesliga aus und weiß alles über die neusten Transfers im europöäischen Profifußball. In ihrem Schrank hängen zwei Original Özil-Trikots – der ist auch ein Grund, warum wir letztens im TGI Friday´s noch mehr Drinks bestellen mussten, weil wir das Arsenal-Spiel noch zu Ende schauen mussten :-).  Von wegen Inder schauen nur Cricket, so viel zu Klischees.

Meine Maid, mein Koch, meine Bügelfrau, …

In Indien hat man, wie in vielen asiatischen Ländern, für alles Bedienstete. Wer nicht bettelarm ist, hat zuhause ein Hausmädchen und einen Koch. Wir haben auch eine Maid, die jeden Tag kommt und putzt. Wenn ich was gebügelt haben will, gebe ich es der hauseigenen Bügelfrau. Wenn ich Lebensmittel brauche, ruf ich den Supermarkt an und der Grocery Store Boy bringt es mir. Wenn ich Schmerzmittel brauche, rufe ich die Apotheke an und der Medical Store Boy bringt es mir. Wenn ich Hunger habe, rufe ich den Dinnerservice an und der Dinner Boy bringt es mir. Ich muss mich quasi nie selbst bewegen.

Kurios finde ich auch, …

  • dass die Band auf einem Hardrock-Konzert nach jedem Lied eine Pause einlegt, um Wasser zu trinken. Das stört doch irgendwie die Stimmung.
  • dass Wäsche, die auf Gehwegen gewaschen wird, sauber wird. Doch dafür gibt es für viele Menschen leider keine Alternative.
  • dass auf die Rechnung im Restaurant noch die Mehrwertsteuer, die Alkoholsteuer und die Servicegebühr gesetzt wird. So erlebt man beim Erhalt der Rechnung manchmal unangenehme Überraschungen, weil man vorher nie einschätzen kann, wie viel man denn nun zahlen muss.
  • dass es für alles Sicherheitspersonal gibt. Jedes größere Haus, jede Mall, jedes Hotel und jedes öffentliche Gebäude hat zahlreiche Watchmen, Taschen werden durchleuchtet und teilweise wird sogar der Körper abgetastet.
  • dass die Bollywoodstars weißer sind als ich und sich die hippe Mittelschicht täglich mit Whiting Creams einschmiert, während ich mich über jedes bisschen sonnengeküsste Haut freue.
  • dass man an jedem Bahnhofskiosk frisches Popcorn kaufen kann und es an jeder Ecke kleine Chips-Tüten gibt.
  • dass ich hier so gut klarkomme! I LOVE BOMBAY!

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