Unsere vierwöchige Indonesien-Reise fängt mit einem echten Highlight an. Nach einem Tag in Jakarta (um uns kurz vom Jetlag zu erholen und Eindrücke der Hauptstadt mitzunehmen), fliegen wir nach Kalimantan, den indonesischen Teil Borneos, um dort im Tanjung Puting Nationalpark mit einem Hausboot für drei Tage und zwei Nächte den Dschungel samt Orang-Utans zu erkunden.
Unsere Hausboot-Tour beginnt bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Vom Hafen in Kumai aus, biegen wir in die breite Flussmündung des Sekonyer Rivers ein. Gemütlich (aber doch auch sehr laut) tuckert das Klotok (so nennt man ein solches Hausboot) den breiten, braunen Fluss entlang. Links und rechts ziehen grüne Palmen an uns vorbei.
Bestens versorgt mit allerlei Köstlichkeiten aus der kleinen Bootsküche sitzen wir an unserem Tisch und fühlen uns wie Könige – und auch leicht unbehaglich. Es ist irgendwie komisch hier oben an Deck bedient zu werden, während unter uns im Bootsbauch vier Erwachsene und ein Kind (der Kapitän hat einen Sohn mitgenommen) sind und alles tun, um es uns so angenehm wie möglich zu machen.
Irgendwann verdichtet sich das Grün, wir tauchen nun in den Dschungel ein. Wir machen es uns am Bug gemütlich und genießen die Aussicht und unterhalten uns mit unserem Guide Subiansyah. Allein die Fahrt gefällt uns schon richtig gut! Und dann sehen wir an unserem ersten Tag tatsächlich schon die ersten Orang-Utans!
Die ersten Orang-Utans
Wir legen am Camp Tanjung Harapan an. Im Tanjung Puting Nationalpark gibt es mehrere dieser Camps, deren Aufgabe es ist, die Orang-Utans zu schützen, verletzten Tieren zu helfen oder Affen, die in Gefangenschaft gelebt haben, wieder auszuwildern. Die Orang-Utans leben hier frei im Dschungel, viele von ihnen kommen aber einmal am Tag zu einer bestimmten Stelle, wo Ranger ihnen Bananen hinlegen. Und dann kann man sie wunderbar beobachten (natürlich aus einer gewissen Entfernung, sie sind ja schließlich semi-wild).
Ein kleiner Walk durch den Dschungel führt uns zur Fütterungsstelle. Schon auf dem Weg sehen wir den ersten Orang-Utan, der nur wenige Meter über uns an einem Baumstamm hängt. Seelenruhig baumelt er über uns und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, während wir Fotos schießen und es kaum fassen können, wie nah wir diesem wunderbaren Geschöpf sind.
Kurze Zeit später erreichen wir die Plattform, auf der Ranger bereits drei große Säcke Bananen ausgeschüttet haben. Eine Traube von weiteren Nationalparkbesuchern wartet einige Meter davor bereits, gespannt stellen wir uns dazu. Die Ranger machen Laute, die den Affen signalisieren, dass nun etwas zu essen da ist. Und dann knackt es auch schon in den Baumkronen hoch über uns. Hier und da sieht man plötzlich orange-braunes Fell zwischen den Blättern.
Der erste Orang-Utan, der sich an den Bananen bedient, ist das Alphatier. Er futtert sich eine halbe Stunde lang voll, bevor er sich dann gemächlich, aber gleichzeitig elegant, in einen Baum nur ein paar Meter weiter von uns schwingt, um dort einzunicken. Erst jetzt kommen die anderen Orang-Utans nach und nach, man erkennt aber auch hier ganz deutlich Hierarchien. Obwohl wir menschlichen Besucher uns so still es geht verhalten, geht jedes Mal ein Raunen durch die Menge (und die Auslöser der Kameras knattern im Millisekundentakt), wenn ein neuer Orang-Utan auftaucht, vor allem, wenn ein Baby dabei ist. Herje, die sind aber auch niedlich!
Nach einer gut 1,5-stündigen Beobachtung laufen wir zurück zum Boot und sind froh, dass unser Guide uns ganz dekadent eine kalte Cola und ein Handtuch mit Eiswasser reicht – wir sind nämlich klitschnass geschwitzt und fühlen uns wie gekocht! Während der Bootsfahrt hat man die Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit nicht so stark gemerkt, im Wald wird einem dann aber ganz schnell bewusst, in den Tropen zu sein, vor allem, wenn man gerade nicht von einem Orang-Utan verzückt wird!
Abendstimmung auf dem Fluss
Am heißen Nachmittag haben wir noch nicht viele Tiere vom Boot aus gesehen, aber das ändert sich nun schlagartig. Mit der einsetzenden Dämmerung kommen auch andere Affenarten aus ihren schattigen Plätzchen und wir entdecken in den Bäumen am Ufer jede Menge Nasenaffen, Makaken und Lemuren. Tropenvögel, wie Hornbills und Kingfisher, fliegen von Baum zu Baum. Und als es dann dunkel wird, blinken zwischen den Büschen, an denen unser Boot für die Nacht vertaut wird, die Glühwürmchen. Es ist unbeschreiblich schön!
Da ist was im Busch!
Komplett erledigt von der Hitze und den Eindrücken des Tages fallen wir schon um 21 Uhr in unser Bett – zwei einfache Matratzen auf Deck mit einem Moskitonetz darüber. (Am nächsten Tag stellen wir fest, dass unsere Handys noch auf Jakarta-Zeit standen und es sogar erst 20 Uhr war.) Gar nicht lange, nachdem wir eingeschlafen sind, schrecken wir beide auf. Neben unserem Boot wird es richtig laut, da ist was im Busch – wortwörtlich. Man hört Affengekreische und irgendwas platscht immer ins oder im Wasser. “Ein Krokodil hat einen Affen gerissen!” flüstert Ehsan mir zu und ich nicke. Ja, das muss es sein – ein brutaler Killer-Akt, das Gesetz der Natur, Fressen oder Gefressen werden, anders kann ich mir das nicht vorstellen. In der Dunkelheit sehen wir schließlich nichts, wir hören nur, dass direkt neben unserem Boot eine barbarische Tat erfolgen muss. Nach ein paar Minuten ist alles wieder ruhig und unser Puls geht auch wieder runter 🙂 und wir schlafen bis uns die Helligkeit weckt.
Die Schönheit des Dschungels
Da die Crew eh noch schläft, kriechen wir aus unserem Moskitonetz und beobachten eine Makakenfamilie, die in der Baumkrone neben unserem Boot sitzt (die Krachmacher der letzen Nacht?). Wir können kaum fassen, wie schön es hier ist: So früh am Morgen sind wir ganz allein, nur unser Boot liegt hier an dieser Stelle im Fluss. Kein Fischer- oder anderes Hausboot weit und breit. Der Wasserspiegel ist so ruhig, dass er die leicht rosa Morgenwolken wie ein Spiegel wieder gibt. Das einzige, was man hört, ist das Zirpen der Insekten. Schon jetzt wissen wir, dass sich dieser Trip gelohnt hat![/vc_column_text][vc_column_text]Irgendwann erwacht die Crew und es geht weiter. Während wir unsere Toasts, Bananen-Pancakes und frisch gepressten Säfte (wir werden hier wirklich hervorragend versorgt) frühstücken, schippert das Boot weiter den Fluss hinauf. Obwohl wir ja schon an unserem ersten Tag so viel Wildlife gesehen haben, kommt es heute noch besser. Und das nicht nur, weil wir unterwegs auch einige wilde Orang-Utans vom Boot aus beobachten können.
Pondok Tanggui und Krokodile
Der erste Stop ist Camp Pondok Tanggui, wo wir uns wieder in jeden einzelnen Orang-Utan verlieben. Wie am ersten Tag genießen wir jede Minute mit den gutmütigen Tieren direkt vor unserer Nase, zerfließen aber in der Hitze des Urwalds um uns herum. Man muss halt Opfer bringen, in dem Fall jede Menge Schweiß.
Später am Tag biegt das Boot in einen kleineren Flussarm ab. Das Wasser ist hier plötzlich nicht mehr braun-schlammig, sondern ganz schwarz, aber total klar. Ideal, um endlich Krokodile zu finden, die wir schon die ganz Zeit über versuchen zu finden. Und wir haben Glück: Zwei kleine Krokodile entdecken wir (oder vielmehr unser Guide) und können noch schnell einen Blick auf sie erhaschen, bevor sie flink verschwinden.
Camp Leakey
Nun erreichen wir das Camp Leakey, das bekannteste von allen, benannt nach dem Forscher Louis Leakey (der zum Beispiel auch Mentor für Dian Fossey und Jane Goddall für ihre Gorilla- bzw. Schimpansen-Forschung war). Nur wenige Schritte über den Holzsteg zum Camp später “begrüßt” uns eine Orang-Utan-Dame, die hier mit ihrem Baby liegt. Sie ist den Anblick von Menschen gewöhnt und stört sich nicht an uns. Sie döst vor sich hin während ihr Nachwuchs auf ihr herumturnt.
Wir gehen ein paar Meter weiter über den hölzernen Weg als uns eine weitere Orang-Utan-Dame begegnet. Da die Tiere zwar an sich friedlich sind, aber auch echt gefährlich werden können, wenn sie sich angegriffen fühlen, fordert unser Guide uns auf, ihr schnell Platz zu machen, damit sie uns passieren kann. (Unser Guide erzählt uns, dass diese Orang-Utan-Dame im letzten Jahr einer Touristin das Wadenbein gebrochen hat, nachdem diese sich einfach neben sie gesetzt hatte und ihr den Arm umgelegt hat, um ein “tolles” Foto zu machen. Selbst Schuld, finde ich. Die Orang-Utans hier sind zwar Menschen gewohnt, aber eben Tiere, die man zu respektieren hat! Nur, weil sie uns Menschen ähnlich sind, heißt das halt nicht, das sie eine Umarmung als etwas Nettes empfinden und alles mit sich machen lassen.)
Bis zur Fütterungsplattform laufen wir diesmal eine gute halbe Stunde durch den Dschungel. Da unser Guide uns gebeten hat, hier besonders auf lange Kleidung zu achten (wegen den Moskitos), schwitze und stöhne ich mehr denn je. Habe ich schon erwähnt, dass es verdammt heiß hier ist?!? Aber es lohnt sich wieder! 🙂 Schon auf dem Weg begegnet uns ein relativ junger Orang-Utan, der sich nur knapp über uns von Baum zu Baum hangelt. Und dann hängt da plötzlich ein Gibbon vor uns – ein ganz raffiniertes Kerlchen, wie wir kurze Zeit später feststellen. Der Gibbon weiß nämlich genau, dass die Ranger mit den Bananensäcken auf ihrem Rücken diesen Weg passieren werden. Und tadaa – schon hat sich der Gibbon ein paar Bananen gesichert und verschwindet mit seiner Beute im Dickicht.
Hier sagen sich Tarantel und Koboldmaki gute Nacht
Am Abend legen wir an einem Steg am Camp Pondok Ambung an, wo drei weitere Hausboote mit Nationalpark-Besuchern nächtigen (also nicht ganz so romantisch und abenteuerlich wie in der Nacht zuvor, aber trotzdem schön). Unser Guide fragt uns, ob wir später eine Nachtwanderung durch den Dschungel machen wollen. Ich bin zwar total erledigt von den Eindrücken des Tages, denke mir aber, dass ich es sicher bereuen würde, es nicht gemacht zu haben. Also stiefeln wir nach dem Abendessen los. Ein Ranger mit Machete und unser Guide gehen vor, wir tapern mit Taschenlampen bewaffnet hinterher. Verdammt dunkel ist es hier! Ein paar Mal machen wir die Taschenlampen im Dschungel aus, zum Beispiel, um Glowing Mushrooms zu sehen oder einfach nur den Tönen zu lauschen. In dem Moment sieht man tatsächlich einfach GAR NICHTS mehr. Die absolute Dunkelheit. Kein Wunder, es gibt schließlich keine Stadt in der Nähe, die die Gegend erleuchten könnte und der Dschungel ist sehr dicht.
Das erste, was der Ranger uns zeigt, ist eine Tarantel. Überall im Boden sieht man größere Löcher, die ich für Mäuse-Löcher gehalten hätte. Sind aber Taranteln drin. Zumindest, wenn die gerade zu hause sind. Der Ranger schiebt ein kleines Stöckchen in ein Loch und – zack! – da kommt eine Tarantel rausgeschossen. Der eigentliche Adrenalinkick des Abends steht uns aber noch bevor. Kurz nachdem der Ranger gerade behauptete, er höre einen Sunbear (Malaienbär), rennt er wie ein Bekloppter los und fuchtelt mit dem Armen und ruft irgendwas auf Indonesisch. Ok, wir sind geliefert, denke ich mir. Ein Bär oder Leopard wird uns nun fressen. Zu meiner Erleichterung ist dem nicht so. Ganz im Gegenteil! Er hat einen Tarsier (Koboldmaki) entdeckt, den man hier im Tanjung Puting Nationalpark nicht so schnell zu Gesicht bekommt. Und genau deshalb war er selbst so aufgeregt :-).
Nach einer Stunde Nachtwanderung mit viel Herzklopfen (in der Dunkelheit hört man es ständig irgendwo knacken) fallen wir wieder erledigt und glücklich auf unsere Matratzen und schlafen sofort ein.
Rückkehr aus dem Dschungel
Nach drei Tagen und zwei Nächten endet unser Kalimantan-Abenteuer. Wir verlassen den Dschungel nicht nur mit einer letzten Sichtung eines richtig großen Krokodils, sondern vor allem mit einem unbeschreiblichen Gefühl. Irgendwie demütig. Gelassen, zufrieden, mit innerer Ruhe und gleichzeitig besorgt beim dem Gedanken, dass die Regenwälder dieser Erde, vor allem auch außerhalb der Nationalparks auf Borneo, überall abgeholzt werden und damit vielen faszinierenden Tieren der Lebensraum genommen wird. Diese Tage hier waren für uns ein echtes Abenteuer, auf dem wir viel gelernt haben und auf dem wir unglaublich viele Eindrücke mitgenommen haben. An diese drei Tage werden wir uns auf jeden Fall noch oft sehnsüchtig zurück erinnern!